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Klassentreffen 17



Klassentreff 2017

Eben und deshalb gehe ich nicht gern zu den Abiturienten. Dort wurde ein elitäres Kollern über Lebensleistungen ausgetauscht, das mit unserer Realität nichts zu tun hatte. Wir alle kamen aus armen Verhältnissen und fanden das Leben der anderen nicht schäbig, sondern eben dazu gehörig.

Auch unter Volksschülern gibt es gewaltige Einkommensunterschiede. Aber der Banknachbar, die Mitschülerin ist das vertraute menschliche Du geblieben. Die Bandmitglieder x und y, die die Kämpfe zwischen Stones und Beatles mitverfolgen, die Discobesucher, Malocher und Sesselfurzer. All sie träumten von einer offeneren, gerechteren Welt als die der oft noch prügelnden Väter. Das war schön.

Die letzte Wegbiegung ist ereicht.

Ich komme bewegt vom Klassentreffen - man sieht den noch passablen Zustand, kommt aber ins Grübeln zum Wer - bin – ich?, was ist mein Ort? und wie lange noch?- da redet im Radio "der" Kraushaar über die 68er.

X hat Jahre den "Kuchen" aus den Weinfässern geholt, mit Schwefel die Tanks desinfiziert, bis ihm die Gase die Lunge zerfraßen. Danach durfte er im Kohlekraftwerk, morgens um 5 raus, abends um 8 heim, sauber machen. Danke! Er schimpft nicht über sein Schicksal.

Einige sind erfolgreich. Auch ich bin "etwas geworden". Ordentliche Arbeit und eine Menge glücklicher Umstände, wie wohl stets bei "Erfolg". Wenn mir zwischen der Zukunft und dem Nichts noch etwas Zeit bliebe zum Nachdenken, wäre das nicht schlecht.

Noch bin ich voll Wollen, kann ich mich über das überdimensionale Darstellen der studentischen Avantgarde ärgern. Mit Brecht: hatte Napoleon nicht wenigstens einen Koch dabei? Dutschke nicht einen Genossen?

Was wären all die Helden und sonstigen Koryphäen ohne den Alltagsmut der Vielen gewesen, die mit ihren frechen und auch braven Diskussionen die Jusos stärkten, die junge Union zur Besinnung auf Toleranz und Christentum brachten, die Julis weg von Kapital hin zu einer fairen Justiz?

Er, Kraushaar, würde die 68er Bewegung lieber als die antiautoritäre bezeichnen. Das müsste er aber weit weg von den Helden der Bewegung begreifen, die alsbald zu eben den "autoritären Arschlöchern" wurden, als die sie Gegner in den Diskussionen „entlarvten“: Monologisten, Ab- und Ausgrenzer, Hexenverbrenner, Ideologen des esoterischen Faschismus von linken Sekten. Antiautoritär und chaotisch, das waren wir: Diskotänzer, Musiknarren, aufmüpfige Azubis und etwas zuviel fantasierende Schüler.

Auch 68er also fälschen Geschichte, wenn man unter Geschichte die Erfassung des "Ganzen" oder auch nur des "Wichtigen" versteht. Wozu die Aufregung? Mit meinem letzten Wimpernschlag wird dies alles mit vergehen.

Auch die "alten 68er" da unten haben inzwischen andere Meinungen. Von Putin-, Merkel-, Trump- und Schulz - Versteher bis zur AFD und immer noch - wieder heimlichen Linken sind wohl alle dabei. Aber 68 wirkt spürbar noch immer. Z.B. im "lassen".

Und manchem geht es schlecht und er/sie wendet sich ab von der alten Hoffnung nach rechts. Aber keiner von ihnen hat eine Wendung wie Fischer, Schily oder gar Mahler vollzogen. Das war keine kleine radikale Minderheit. Die fuhr schon Mercedes, als das 68er Volk noch mit der Ente unterwegs war.

Und cum grano salis: War die Avantgarde nicht mindestens ebenso stark an Esoterik und an Sekt und Kaviar im SPD-Kader beteiligt wie an linker Wende? X hat den Kuchen aus den Fässern geholt, auf deren Wein Ihr Euch heute so gut versteht wie damals auf die feinen Differenzen zwischen Stalin und Mao. In Kambodscha starben dann Leute wie iX und Du. Der Wein liegt schwarz auf der Hefe.

Ich freue mich trotzdem über unser Glück, dabei gewesen zu sein und ein paar Sandkörner mitbewegt zu haben.

Karlsruhe 8.10.17

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