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Gang in eine Ausstellung

Ich trage meine Seele in eine Ausstellung von Landschaftsmalern in der Kunsthalle. Sie ist etwas zerzaust durch Störungen im Haushalt am Morgen, divergierende Pläne, ein unlösbares Sudoku, einen gequälten Seufzer Pasolinis aus der Vergangenheit in mein Selbstverständnis, durch Regen.

Ja, Pasolini hatte einen das Leben zum Glitzern bringenden kritischen Blick. Das Rebellische eines privilegierten Underdogs. Ich war lange begeistert von ihm und halte ihn immer noch für einen glücklichen Zufall der Moderne, ja der kritischen Literatur überhaupt.

In einer Neuauflage seiner Freibeuterschriften setzt sein Übersetzer einen Essay über und gegen die Langhaarigen an erste Stelle. Moderne Wichtigkeiten.

Mich als ehemaligen Langhaarigen versetzt dieses Entgleiten einer Selbstgewissheit in die angsterfüllte Aversion in eine von Enttäuschung erfüllte Aversion. Er ist tot.

Sie erkennen nicht, was der Haltungswechsel 1968 war. Wie sonst nur vor vollständigen - bürgerlichen - Revolutionen war auch hier eine innere Abwendung vom Alle-gegen-Alle und Jeder-für-sich zur Brotherhood of man erfolgt. Das Du, die Liebe und die Freundschaft bauten ein neues Wir des Vertrauens unter den Menschen und lösten das Ich-Ich ab, das dem faschistischen, nazistischen und stalinistischen, zwingenden Wir gefolgt war
In Brighton begann es mit dem Sieg der unorganisierten friedlichen Weicheier gegen die asoziale Ego-Bande, Speerspitze der moralisierenden Familienherrschaft. Mods vertrieben Rocker.

Die seither erfolgten Änderungen in der verfaßten Gemeinschaft in Bezug auf die Achtung der Person, der Anstieg der Wertachtung bleibt Verdienst meiner Generation, die nun in Depression versinkt, weil es an begeisterten Nachfolgern fehlt.
*
Aber was soll denn das Nachtragen heute, mehr als 40 Jahre nach seinem Tod und einigen weniger vor meinem? Spuren von Besserwissen zurücklassen? 

Ich hatte das Gefühl, einen Angriff auf die Wahrheit abwehren zu müssen: In der Geschichte wird 68 als eine von einem wilden Haufen Radikaler getriebene Bewegung mit esoterischen Ausläufern und musikalischen Besoffenheiten bleiben. Auch die Geschichte gibt nicht die Wirklichkeit wieder, nur den Sektor der Zeit, in dem die Akademie es sich gemütlich macht, um Historiendramaturgie zu betreiben.
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In der Ausstellung über Landschaftsmaler betrachte ich dann die farbigen Spuren die die Wiedergabe der Beleuchtung in Malerköpfen hinterließ. 

Ich sehe, wie jeder seinen eigenen schrägen Strich hat, seine eigene Weise, zu sehen, Farben und Werkzeuge zu wählen und einzusetzen. Und ich bemerke, daß es möglich ist, auch dem Fühlen eines realistischen Malers zu folgen, der sein Inneres nicht so dick auf die Folie trägt wie mancher "Abstrakte", der nach der inneren Sage des Betriebs ja ein eigentlich Konkreter sein soll.

Aber auch hier hatte ich "richtige" Vorstellungen, deren Zwang mir inzwischen lästig ist. Ich würde sie gerne für die Rückkehr ins Fragen abgeben. Diese Sehnsucht ist der Stärke nach wohl der des Pasolini zurück in das Staunen der Kindheit vergleichbar, das er aus einem vergoldeten Landleben knüpfte.

Er wurde nicht geliebt. Hatte er Freunde? Wie konnte er -um eine Generation zu früh geboren- das All you need is love und Sympathy is what we need an seine Haut lassen. 

Viel Sehnsucht entdecke ich auch in manchen dieser sympathischen Landschaften! Kein Geheimnis von Mystik und Erleuchtung noch prachtvolle Langweile eines gewaltig über den Raum gespannten Feuerbachschinkens. 
Wo es gelingt, erstreckt sich der Blick in eine aus der Ewigkeit beleuchtete Nacht. Liebe wohl. 

Bei sich bleiben....
27.4 2017 Klaus Wachowski

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